Kulturschock: Japan vs Korea

Japan und Südkorea – für viele Asien-Reisende eine viel versprechende Länderkombination bei einem Trip in den fernen Osten. Doch wer meint, dass die beiden Nachbarn kulturell nicht allzu weit auseinander liegen, der irrt gewaltig.

Über Südkorea findet man auf deutschsprachigen Blogs relativ wenig jenseits der üblichen Touri-Spots – daher habe ich heute meine ultimativen 10 Punkte aus dem täglichen Leben zusammengestellt:

1. Essen – was ist landestypisch?

Die koreanische Küche ist komplett anders als die japanische. Sushi & Co. findet man so in der Form nicht. Es gibt zwar rohen Fisch, der wird aber anders angerichtet und hat nichts mit Sashimi oder Maki-Rollen gemeinsam. Optisch ähnlich: An Strassenständen gibt es oftmals kleine Rollen mit Reis, rohem Gemüse und Pickles: Mayak Kimbap – diese werden allerdings als gesunder Snack auf der Hand verspeist.

Ansonsten ist Barbecue am Tisch sehr verbreitet, landestypisch ist Bibimbap und Kimchi gibts quasi zu jeder Mahlzeit.

maya kimbap vegan
Leicht, lecker & gesund: Mayak Kimbap können süchtig machen!

 

 

2. Stäbchen und Besteck

Für Japan sind spitz zulaufende Holz/Bambus-Stäbchen gängig. In Korea wird fast ausschliesslich mit Metall-Stäbchen gegessen, die vorne eher platt zulaufen – diese sind in der Handhabung etwas komplizierter als beispielsweise die Einweg-Stäbchen. Weiter wird in Korea in der Regel ein Löffel für den Reis gereicht – das ist in Japan so nicht üblich. Reis wird mit den Stäbchen in der angehoben Schüssel in den Mund gespachtelt. Auch Suppen werden selten gelöffelt, vielmehr werden sie direkt aus der Schüssel getrunken. Schmatzen, Schlürfen und Nudeln lautstark in den Mund saugen gehört in beiden Ländern zum guten Ton und heisst nichts anderes, als das es köstlich schmeckt.

 

 

3. Obst als Luxusartikel

Auch in Korea ist es üblich, besonders wohl geratene Früchte zu exorbitanten Preisen zu kaufen. Wie in Japan gibt es selbstverständlich im normalen Supermarkt Standard-Obst zum normalen Kurs. Für besondere Anlässe gibts Melonen, Trauben und Erdbeeren allerdings auch jenseits der 100€-Grenze. Ich bin hier und da schon mal in den Genuss dieses Edel-Obstes gekommen – muss aber sagen, dass es geschmacklich nicht den Preis rechtfertigt. Aber darum geht es bei den Super-Früchten auch nicht – sie werden hübsch verpackt zu wichtigen Anlässen als Wertschätzung verschenkt und sind nicht für den Obstsalat oder in den Smoothie gedacht. Generell ist es in beiden Ländern aber so, dass eher viel regionale Waren angeboten werden und weniger Importe. Ganz anders als in Deutschland, wo es üblich und normal ist, zahlreiche Obst/Gemüse-Sorten ganzjährig zu bekommen.

expensive fruit in japan teures obst
Die Kanten haben ihren Preis: Knapp 180€!

 

4. Schlafen in der Metro

In Japan gleichen die Züge gerne mal einem Schlaf-Waggon, weil jeder Fahrgast in ein Tiefenkoma verfällt – und sei es nur für 3 Stationen. Das ist in Korea so nicht der Fall. Dafür gibts freies WLAN an Bord und der ÖPNV in Seoul ist weitaus einfacher und günstiger in der Handhabung als in Tokyo: Zum einen ist in Seoul komplett alles auf Englisch ausgeschildert, was ist Tokyo durchaus nicht der Fall ist. Zum anderen können die x verschiedenen Betreiber-Lines Nicht-Ortskundige in die Verzweiflung treiben, da streckenweise auf Übersichtsplänen nur die jeweils eigenen Züge angegeben sind. Tipp: Google ist in Japan meist sehr zuverlässig, was Fahrpläne betrifft, auch wenn man die Schriftzeichen nicht lesen kann. Anders in Korea: Hier ist Google-Maps nicht wirklich „ausgebaut“ und funktioniert nur spärlich beim Navigieren. Dafür gibt es koreanische Apps, wie Seoul Metro oder Naver Map.

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Kollektives Koma in Japans Zügen!

 

5. Spucken, Brüllen, Rempeln

Während Japaner wahre Meister der Zurückhaltung im öffentlichen Raum sind, so gibt sich der Koreaner nicht so manierlich: Ob junge Frau oder alter Mann – es wird auf die Strasse gespuckt, was das Zeug hält. Auch lautstarkes Schnäuzen und Rotz hochziehen ist kein Problem. Das wird in Japan dezent hinter einem Mundschutz erledigt… Ältere Menschen sind in Korea mit Respekt zu behandeln, daher lässt man ihnen den Vortritt und sie geben den Ton in Sachen Tischmanieren an. In Japan gibt es andere Höflichkeits-Rituale, die zwar auch Ältere als ranghöher manifestieren, aber grundsätzlich gilt ein anderer Kodex. In einer Menschenmenge in Seoul wird auch gerne mal gerempelt, wenn es schnell gehen muss – auch das ist so in dieser Ruppigkeit im überfüllten Tokyo nicht an der Tagesordnung.

 

6. Schönheits-Ideale

Südkorea ist weltweit Nummer 1, was chirurgische Eingriffe betrifft. Fast jede(r) lässt bereits in Teenager-Jahren an sich rumschnippeln. Schönheits-OPs haben in Korea einen komplett anderen Stellenwert, als in Europa – es ist Alltag und gehört zum guten Ton. Weiter gibt es auch für Männer ein unfassbar grosses Sortiment an dekorativer Kosmetik. Wenn der Koreaner geschminkt im Büro erscheint, so ist das keine grosse Sache. In Japan ist das Schönheits-Ideal, gerade für junge Frauen, durchaus anders: X-Beine, O-Beine, verformte Füsse in viel zu kleine High-Heels gequetscht – das ist das normale Strassenbild. Insbesondere junge Mädchen drehen ihre Fusspitzen stets nach innen, weil das besonders niedlich / „kawaii“ erscheint. Aus westlicher Sicht fragt man sich in Japan permanent, ob es keine Orthopäden in diesem Land gibt, weil einem allein die Betrachtung dieser Fehlstellungen Schmerzen bereitet. In Japan trimmen sich viele junge Frauen auf mega-kawaii, sodass sie auch in ihren 30ern wie Teenager wirken. In Südkorea könnte man das gängige Ideal als superschlank, feminin und anmutig beschreiben. Der japanische „Living-Doll“-Look  ist so fast nicht in Südkorea zu finden. Allerdings sind in beiden Ländern „Circle-Lenses“ der absolute Renner: Farbige Kontaktlinsen in Übergrösse, die das Auge sehr rund und gross erscheinen lassen.

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Schau mir in die Augen, Kleines: Circle Lenses, verziert mit der Hello Kitty Gang!

 

 

7. Tattoos

Japan hat  ja eine sehr eigene Kultur, was Tätowierungen betrifft: Einst als Zeichen der Yakuza hat sich ein sehr unverwechselbarer Stil in Sachen Technik und Motive entwickelt. Bis heute gibt es zahlreiche Badehäuser, die deswegen schwer tätowierten Gästen den Zutritt untersagen. Die Yakuza betreiben daher ihre eigenen Onsen, in denen grossflächige Tattoos zum guten Ton gehören. In Korea war/ist Tattoo-Kunst zwar offiziell verboten und darf nur von ausgebildeten Ärzten durchgeführt werden. Dies ist dann allerdings als Permanent-Make-Up zu verstehen. Auch Tattoo-Läden findet man eher im Untergrund und diese sind nicht für jedermann zugänglich. Es ist daher kein gesellschaftliches NoGo tätowierte Augenbrauen, Lidstriche und Haaransätze zu tragen. Lehrer hingegen müssen während dem Unterricht Tattoos abdecken und dürfen diese nicht zur Schau stellen. Im Nachtleben bietet sich allerdings ein anderes Bild: Hier ist es keine Besonderheit, bunte Sleeves oder sonstige Motive öffentlich zu präsentieren.

 

8. Fahrstühle

Wenn in Korea zwei oder mehr Fahrstühle zur Auswahl stehen, so kann man davon ausgehen, dass sie nicht alle Etagen anfahren: Manche sind nur für die geraden Etagen (2,4,6,8,…) gedacht, die anderen für für die ungeraden. Oder sie fahren nur in die Etagen 20-30 und andere nur in 1-19. Wie in Asien üblich, gilt die 4 als Unglückszahl – daher ist der vierte Stock gerne mal mit einer F statt 4 angegeben. Das kommt in japanischen Skyscrapern auch mal vor, aber es ist nicht die Regel.

 

9. Englisch in Tokyo und Seoul

Da die US-Army in Südkorea sehr präsent ist, ist quasi alles auf Englisch ausgeschildert. Weiter sind Chinesisch und Japanisch fast immer Standard bei Stationsansagen etc. Das ist so in Tokyo nicht der Fall. Zwar gibt es auf den grossen Linien, wie Yamanote, immer englische Hinweise, aber jenseits der Hauptschlagadern sieht das anders aus. Basic Englisch-Kenntnisse in kleinen Restaurants oder auf lokalen Märkten sind allerdings in den beiden Metropolen so gut wie nicht vorhanden.

 

10. Partnerlooks

Bei einem Streifzug durch Tokyo hat man manchmal das Gefühl, dass sich insbesondere junge Frauen penibel abstimmen, was die Outfits betrifft. Die gleichen Muster, die gleichen Marken, der gleiche Look – offenbar wird mit der Verabredung festgelegt, was an dem Tag zu tragen ist, damit es synchron ist. Es ist wirklich erstaunlich, denn so manövrieren sich Tag für Tag massenhaft Styling-Zwillinge durch Tokyo. Ganz anders in Seoul: Hier wird das doppelte Outfit ausschliesslich mit dem Partner zelebriert: Es gibt sogar Shops, die sich auf die Partnerlooks für Liebespärchen spezialisiert haben. Partnerlooks sind also eher als ein Ausdruck der Zugehörigkeit und als eine Art individueller Style zu verstehen. Ganz anders als im Westen, wo gleich gekleidete Leute ja eher als verkleidet gelten, bzw belächelt werden.

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Kleider machen Paare! ©TCVB

 

Fazit: Bei einem Länderhopping zwischen Japan und Südkorea ist der ein oder andere Kulturschock vorprogrammiert. Eine Reise in beide Länder ist somit absolut lohnenswert und ein unvergessliches Erlebnis – in Sachen Budget sind beide Ziele relativ gleich, auch was Sauberkeit und Sicherheits-Standards betrifft. 

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Hier gehts weiter nach Akiba – Electric Town in Toyko und hier gehts zum Nakano Broadway – dem uniquen Nerd Paradies.

10 Gedanken zu “Kulturschock: Japan vs Korea

  1. boah. Andere Länder, andere Kulturen.
    Krass, was du da beschreibst. Ganz offen, ich könnte da nicht leben. Dabei bin ich echt weltoffen 😉

    Viiiieeeelen liiieeeben Dank für den tollen Bericht! Sehr interessant und spannend.

    LG Andreas

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    1. Gepennt wird hier überall – vor roten Ampeln, in der Warteschlange oder letztens gesichtet: auf einem parkenden Motorroller. In den Zügen schläft es sich halt einfach am bequemsten 🙂

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      1. Japaner, insbesondere Männer der älteren Generation, verbringen sehr viel Zeit mit/in ihrer Firma. Man macht beispielsweise erst Feierabend, wenn der Chef gegangen ist. Das impliziert aber auch „Absitzen“ von Stunden, wenn man so will. Andererseits kommen die Firmen, anders als in GER mit vielen Sonderzahlungen für Miete, Pensionen etc für diese Leute auf. Unter den Jüngeren gibt es viele „Low-Budget-Worker“, die tatsächlich pro Tag 20h schuften, um Studium/Nebenjob zu vereinen. „Karoshi“=Tod durch Arbeit hat in Japan einen Namen. In GER nennt man das dann Herzinfarkt, Depression oder Burnout. Ich denke, dass in der westlichen Welt ebenso „intensiv“ gearbeitet wird, es nur nicht „Samurai“-mässig konnotiert ist. Da Tokyo sehr weitläufig ist (38 Mio Menschen), pendeln viele Menschen – dementsprechend wird in den Zügen Schlaf aufgeholt 🙂

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