Grüsse aus Fukushima

Der neue Film von Doris Dörrie

Seit Jahren bin ich ein grosser Fan von Doris Dörrie, insbesondere von ihren Japan-Filmen („Erleuchtung garantiert“ und „Kirschblüten Hanami“).

Mit „Grüsse aus Fukushima“ hat sie definitiv ein neues Meisterwerk erschaffen – ganz in ihrem Stil: Grosse Geschichte, herausragende Besetzung und kunstvolle Bilder: Starke, emotionale Momente, die einem tief unter die Haut fahren und die Seele berühren.

Doris Dörrie hat als erste Filmschaffende einen Spielfilm über Fukushima vor Ort in der Krisenregion gedreht. Sehr mutig und gleichzeitig sehr gefühlvoll hat sie mit der Geschichte einen Ton getroffen, der den Betroffenen in der Region eine Stimme verleiht: Über die vielen tausenden Menschen, die nach wie vor in Containern leben müssen, weil sie evakuiert wurden.

Der Film handelt vom Schmerz der Erinnerungen, der Vergangenheit. Und dreht sich in zweiter Linie um Shō ga nai (仕様がない), dem Annehmen der Situation, so wie sie nun mal ist. Es geht darum, Haltung zu bewahren, nicht die Würde zu verlieren. Und obgleich das Drama sehr tief schürft, gibt die Geschichte sehr viel Hoffnung: Dass man aus eigener Kraft etwas reparieren kann, dass man von anderen lernen darf und dass nach einem Tunnel der Finsternis das Licht kommt.

 

GRÜSSE AUS FUKUSHIMA

Die Geschichte

Marie, eine junge Deutsche (Rosalie Thomass) reist nach Fukushima um dort für die „Clowns ohne Grenzen“ an einem Charity-Projekt teil zunehmen: Die Clowns heitern Menschen in Krisengebieten auf, um ihnen ein wenig Lebensfreude zurück zu geben. Marie wiederum befindet sich in einer persönlichen Sinnkrise und hofft, mit ihrer Reise vor allem bei sich selbst anzukommen.

Vor Ort, in Fukushima, zweifelt sie stark an sich und an ihren Fähigkeiten, ja sie fühlt sich gescheitert. Jedoch beschliesst sie dieses Mal, nicht vor sich selbst davon zulaufen. Sie sucht die Japanerin Satomi (Kaori Momoi) auf, die ihrem Schicksal anscheinend zu trotzen vermag. Die versucht, ihr einstiges Haus in der verbotenen Sperrzone mit einfachsten Mitteln wieder bewohnbar zu machen.

Die unterschiedlichen Frauen kämpfen mit ihrer Vergangenheit und schmerzhaften Erinnerungen, jedoch in vollkommen anderen Dimensionen. Das Schicksal Satomis, einer Geisha, die ihre komplette Existenz und ihre einzige Schülerin bei der Katatrophe verlor, veranlasst Marie zu Fürsorge und Hilfe. Beide lassen sich trotz enormer kultureller Unterschiede aufeinander ein und lassen Veränderung in ihrem Seelenleben zu.

GRÜSSE AUS FUKUSHIMA

Was macht den Film so besonders?

Alles ist in sehr stilvollem Schwarz-Weiss gehalten, was der Geschichte einen surrealen Look verleiht und wiederum mit dokumentarischen Momenten versehen wurde. Der Hauptdrehort, Satomis Haus, ist tatsächlich nur 12 km vom Reaktor entfernt, dementsprechend drastisch sind die Bilder der vollkommen verwüsteten und verlassenen Gegend. Ein Landstrich, der einst für saftige Wiesen, Obstanbau und Landwirtschaft bekannt war.

Im offiziellen Trailer wurde eine deutsche Synchronisation angelegt, ich habe den Film aber mit OT (Deutsch und Japanisch/Englisch mit Untertiteln) gesehen, was definitiv besser als im Trailer kommt.

Weiter spielen alte Bekannte aus „Kirschblüten Hanami“ mit, wie der Butoh-Tänzer und die Tochter Satomis.

Doris Dörrie versteht es, sich in authentischen und gleichzeitig sehr kreativen Bilderwelten auszudrücken, seien es die Teezeremonie, die Verhaltensregeln oder die typisch japanische Haushaltsführung.

GRÜSSE AUS FUKUSHIMA

Was wissen wir schon über die Betroffenen in der Region?

Ausser dass sie zum Teil immer noch in Containern leben, eigentlich fast nichts. Die westlichen Medien stellten zum Thema Fukushima meist wirtschaftliche und umwelt-politische Aspekte in den Fokus und weniger die persönlichen Schicksale. Sicherlich findet man ein paar Dokus, aber die Geschichte über das tragische Schicksal der Menschen wurde bisher nicht erzählt. Das ist Doris Dörrie mit „Grüsse aus Fukushima“ absolut brilliant gelungen.

Trotz der schmerzhaften Tiefe des Themas und der durchweg schockierenden Originalschauplätze, hinterlässt der Film nicht zwingend eine bedrückende Stimmung, sondern zeigt auf eine sehr ehrliche Weise, dass Mitgefühl und Hilfe nicht immer einfach sind. Es lohnt sich, sich aufeinander zuzubewegen, in unserer Welt.

Grüsse aus Fukushima läuft zur Zeit im Kino – hier ist eine Übersicht.

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