Ein japanisches Phänomen: Der Mundschutz

Pestizide, Pollen oder Paranoia?

In der westlichen Welt ist der Mundschutz eigentlich nur im medizinischen Bereich anzutreffen. Die Gaze-Maske erinnert uns eher an gruselige Besuche beim Zahnarzt oder an die OP-Szenen der Schwarzwaldklinik. Ganz anders in Japan – hier ist der Mundschutz  genau so verbreitet und normal, wie eine Sonnenbrille bei uns.

Ist Japan so dreckig und verkeimt, dass Japaner deshalb massenhaft zum Mundschutz greifen müssen?

Nein, anders als in China, wo sich viele gegen Smog bzw Feinstaub mit der Maske rüsten, ist das in Japan nicht wirklich der ausschlaggebende Grund. Japaner sind absolut sicherheitsversessen und überaus reinlich (wenn man ein Haus betritt, sind Schuheausziehen und Händewaschen ausnahmslose Pflicht). Daher wurzelt die Popularität der Maske eher in Vermeidung von Risiko und hat mittlerweile ihre ganz eigene Tradition entwickelt.

Neben unzähligen verschiedenen Designs, wie etwa mit Hello Kitty oder Micky Mouse gibt es unterschiedliche Fabrikate für Allergiker, mit Frischeduft oder eingebautem UV-Schutz. In der Regel sind das sehr günstige Einwegteile, die man im Multi-Pack in jedem Shop um die Ecke findet. Die extravaganten Modelle mit Zusatzfunktion gibt es in Drogerien, Apotheken und in stylishen Shops. Aber auch online findest du eine riesige Auswahl.

                                               Die Maske, auf Japanisch: masuku

Warum die Gaze-Maske ganz normaler Alltag ist:

1. Schutz vor Ansteckung

In erster Linie sind Höflichkeit und Achtsamkeit tief in der japanischen Tradition verwurzelt – so löst der Gedanke, jemanden mit einer Erkältung anzustecken, grosses Unbehagen aus. Jemanden aus Fahrlässigkeit eine Infektion zu verpassen, kommt einer Körperverletzung gleich (was genau genommen ja auch stimmt). Jemand anderes könnte beim Job ausfallen und müsste sich Medikamente kaufen, ganz abgesehen von der lästigen Krankheit an sich: Ein Szenario, das Japanern durchaus unangenehm ist und welches sich einfach nicht gehört.

Daher ist es absolut gängig, sich bei den ersten Anzeichen eines Infekts einen Mundschutz anzulegen. Weiter ist lautes Schnäuzen, Naseputzen und Husten verpönt – das wird auf der Toilette verrichtet und niemals in einem Zug oder am Tisch. So etwas gilt als grob rücksichtslos und ist absolut respektlos. Allerdings ist es gerade zur Erkältungshochsaison so, dass viele Leute hinter ihrem Mundschutz leise schniefen, wo man als Westler beherzt zum Tempo greifen würde. Wenn die Nase trieft und man keinen Mundschutz trägt, sollte man dezent hinter vorgehaltener Hand die Nase abtupfen und sich möglichst weit vom Nebenmann wegdrehen.

Menschen, die im öffentlichen Raum arbeiten, an Bahnhöfen, Flughäfen oder in Supermärkten, tragen sehr häufig eine Atemmaske, weil sie täglich mit vielen Leuten und damit mit vielen Keimen Berührung kommen.

2. Allergien, trockene Luft und UV-Strahlung

Viele Japaner haben Heuschnupfen und leiden unter Allergien. Daher gibt es spezielle Ausführungen, die zur Pollensaison getragen werden.

Für Menschen, die viel in klimatisierten Räumen arbeiten und unter ausgetrockneter Luft leiden, beispielsweise auch im Flieger, gibt es Masken mit integriertem Luftbefeuchter – finde ich praktisch, um Reizhusten zu vermeiden.

Generell ist eine helle Haut in Asien erstrebenswert. So ist die Gaze-Maske eine willkommene Lösung, um das Gesicht im Sommer vor zu viel Sonneneinstrahlung zu schützen. Das ganze wird dann gerne mit einem Sonnenhut und Schirm kombiniert.

3. Epidemien und radioaktive Strahlung

Als zwei grosse Grippewellen in 1918 und 1920 in Japan grassierten, forderten diese fast 400.000 Todesopfer – zu dieser Zeit rief die Regierung dazu auf, Atemmasken zu tragen. Die damaligen Modelle stammten aus der Arbeitsschutzbekleidung und waren zum mehrmaligen Gebrauch bestimmt. Sie erinnern optisch eher an eine Gasmaske.

Auch zu Zeiten von SARS und Vogelgrippe in 2006 und 2007 versprach die Gaze-Maske Schutz vor Ansteckung und erreichte grosse Popularität in ganz Asien. Nach einem weiteren Ausbruch der Vogelgrippe im Dezember 2014 stieg der Verbrauch der Masken sprunghaft an.

Die Universität Tokio testete wenige Tage nach dem GAU von Fukushima handelsübliche Einwegmasken auf eine Prävention gegen Radioaktivität. Das Ergebnis erstaunt: Das Cäsium wurde absorbiert und die Aufnahme von verstrahltem Jod war um ein ganzes Drittel reduziert.

4. Having a Bad-Hair-Day

Der Mundschutz ist vielseitig einsetzbar – beispielsweise um Pickel und schlechte Haut zu verstecken. So muss man nicht mühselig Make-Up und Abdeckstift auf die entzündeten Stellen auftragen, sondern kann die Quälgeister einfach unter dem Gaze abheilen lassen.

Übernächtigt, unrasiert und ungeschminkt – wer es morgens eilig hat oder die Spuren einer wilden Karaoke-Nacht kaschieren möchte, legt die Maske an. Ist effektiver und einfacher, als sich umständlich zu schminken oder etwa mit Bartstoppeln ungepflegt zu wirken.

Aber auch eine penetrante Bier- und Knoblauchfahne kann man in Sekunden mit einem Mundschutz vertuschen – ist also sehr hilfreich, sollte man grad keine Zahnbürste zur Hand haben.

Wenn man nicht gut drauf ist, sich mental schlecht fühlt und einfach lieber unter der Bettdecke geblieben wäre, ist die Maske die perfekte Lösung – sie schirmt ab und signalisiert, dass man nicht angesprochen werden möchte. Ist ein bisschen, wie ein zugezogener Vorhang oder das gute alte „Do Not Disturb“-Schild an der Hotelzimmertür.

5. Der Mundschutz als Kleidungsstück

Einige Japanerinnen finden zudem, dass ihr Gesicht mehr kawaii, also niedlicher und ansprechender wirkt mit Maske, da es so optisch verkleinert wird. Zudem liegt der Fokus auf den Augen. Weiter gibt man wenig von der Mimik preis, was geheimnisvoll wirken kann.

Zudem werden die Masken oft als ergänzendes Accessoire in den verschiedensten Designs getragen – alle erdenklichen Farben, Prints und Dekoelemente perfektionieren das Outfit.

Wie im Sommer die Maske als Sonnenschirm eingesetzt wird, so greift man im Winter zu wärmenden Modellen, die vor Kälte und Wind schützen – die Haut trocknet weniger aus und man spart sich einen Schal.

***

Der Mundschutz ist aus dem Alltag Japans nicht mehr wegzudenken. Wer zum ersten Mal nach Japan kommt, auf den können die vielen Masken durchaus befremdlich wirken. Je länger ich mich aber in Tokio aufhalte, umso mehr lerne ich die Vorteile zu schätzen.

Insbesondere bei Erkältungen ist es durchaus angemessen eine Maske zu tragen, um die Viren nicht weiter zu streuen. Auch ich finde es mehr als ekelerregend, wenn deutsche Fahrgäste niesen und husten, was das Zeug hält – frei nach dem Motto: „Muss halt raus!“ Es geht eben doch dezenter und rücksichtsvoller.

Sollte man als Tourist in Japan Mundschutz tragen?

Falls man erkältet ist, würde ich das empfehlen. Mag zwar im ersten Moment etwas strange sein, ist aber besser, als in einem überfüllten Zug voller Inbrunst ins Tempo zu schnauben.

Mit Sicherheit gibt es auch viele Cosplayer oder andere Touristen, die gerne mal die Fashion-Masks ausprobieren möchten – ist auch problemlos möglich, ohne angestarrt zu werden.

Auch wenn die westliche Welt den omnipräsenten Einsatz von Gaze-Masken für paranoid hält, bin ich der Meinung, dass es eine sehr gute Maßnahme ist, um sich selbst und andere vor Krankheitserregern zu schützen. Auch für Leute mit Berufen in öffentlichen Räumen sind die Masken eine wirksame Möglichkeit, um vor den Viren und Bakterien anderer Leute verschont zu bleiben.

Übertrieben, zweckentfremdet oder Zukunftsmodell? Was denkst du über den Mundschutz?

Lies hier weiter, um sechs spannende Fakten über Japan zu erfahren.

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2 Gedanken zu “Ein japanisches Phänomen: Der Mundschutz

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